frei sein – Predigt am Reformationstag 2022 von Pfarrer Jan-Peter Hanstein
Predigt freisein mit Gal 5, 1-6 und Xavier Naidoo. Es gilt das gesprochene Wort.
Glaubst Du, dass der Wind weht,
weil irgend jemand sagt: “Wind, weh jetzt”
Glaubst Du, dass die Sterne, die am Himmel stehen
leuchten, weil irgendwer sie an knipst? Glaubst Du das?
Glaubst Du, dass die Elemente tun, was sie sollen,
und nicht, was sie wollen? Glaubst Du das? Glaubst Du das?
Wenn Du das glaubst, dann wirst Du nie sehen
und verstehen, was ich mein, wenn ich sag’:
Ich will frei sein,
frei wie der Wind, wenn er weht.
Ich will frei sein,
frei wie ein Stern, der am Himmel steht.
Ich will frei sein,
ich will frei sein, nur frei sein, nur frei sein, nur frei sein.
Ich will frei sein, nur frei sein,
ich will frei sein, nur frei sein, nur frei sein, nur frei sein.
Glaubst Du, dass die Erde
aufhören würde, sich zu drehen,
wenn irgendwer entschiede,
dass es besser wär’ für sie zu stehen? Glaubst Du das?
Glaubst Du, dass irgendwer, irgendwo, irgendwann
für Dich Dein Leben leben kann? Glaubst Du das? Glaubst Du das?
Wenn Du das glaubst, dann wirst Du nie sehen
und verstehen, was ich mein, wenn ich sag’:
Ich will frei sein,
frei wie der Wind, wenn er weht.
Ich will frei sein,
frei wie ein Stern, der am Himmel steht.
Ich will frei sein,
ich will frei sein, nur frei sein, nur frei sein, nur frei sein.
Ich will frei sein, nur frei sein,
ich will frei sein, nur frei sein, nur frei sein, nur frei sein.
Glaubst Du, dass Dein Leben
bereits geschrieben steht,
und dass irgendwo ein Weiser
für Dein Tun die Konsequenzen trägt – glaubst Du das?
Glaubst Du, dass von allen Leben auf der Welt eins
wertvoller ist als Deins? Glaubst Du das? Glaubst Du das?
Wenn Du das glaubst, dann wirst Du nie sehen
und verstehen, was ich mein, wenn ich sag’:
Ich will frei sein,
frei wie der Wind, wenn er weht.
Ich will frei sein,
frei wie ein Stern, der am Himmel steht.
Ich will frei sein,
ich will frei sein, nur frei sein, nur frei sein, nur frei sein.
Ich will frei sein, nur frei sein,
ich will frei sein, nur frei sein, nur frei sein, nur frei sein.
Liebe Gemeinde,
von der Freiheit möchte ich so singen können wie Xavier Naidoo und von der Freiheit so predigen wie Paulus:
Zur Freiheit hat uns Christus befreit!
So steht nun fest
und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!
Siehe, ich, Paulus, sage euch:
Wenn ihr euch beschneiden lasst,
so wird euch Christus nichts nützen.
Ich bezeuge abermals einem jeden, der sich beschneiden lässt,
dass er das ganze Gesetz zu tun schuldig ist.
Ihr habt Christus verloren,
die ihr durch das Gesetz gerecht werden wollt,
und seid aus der Gnade gefallen.
Denn wir warten im Geist
durch den Glauben auf die Gerechtigkeit,
auf die man hoffen muss.
Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung
noch Unbeschnittensein etwas,
sondern der Glaube,
der durch die Liebe tätig ist.
Ich will frei sein, nur frei sein … singt Xavier Naidoo.
Zur Freiheit hat uns Christus befreit, sagt Paulus.
Was glaubst du? Was glaube ich?
1. Freiheit ohne Bedingungen
Freiheit – ist Freiheit und sonst nix, hat der Münchner Weiß Ferdl gesagt. In Zeiten als diese Freiheit schon verloren, korrumpiert war und man die Freigeister festgesetzt hat.
Zur Freiheit hat uns Christus befreit, sagt Paulus.
Wenn in der Kirche von Freiheit geredet wird, auch heute noch und sogar in der evangelischen Kirche, dann wird’s ernst. Wenn ich heute so von der Freiheit singe wie ein Xavier Naidoo und rede wie ein Paulus, dann werden hinterher tausend Einschränkungen kommen und Fragen – „Ich möchte ja nur einmal anmerken, Herr Pfarrer“. – „haben Sie nicht etwas vergessen?“
Liebe Freunde, Ach die Freiheit: ich kann eure Gedanken schon hören.
Bedenklich: Kann die Freiheit nicht so schrecklich missbraucht werden?
Besorgt: Müssen wir der Freiheit deshalb nicht Schranken setzen?
Ganz klug: endet meine Freiheit nicht an der Freiheit des anderen?
Natürlich kenne ich auch die Einwände, einen zu Recht umstrittenen Künstler wie Xavier Naidoo zu spielen, der erst in allerletztem Moment vor kurzem von seinen obskuren Verschwörungstheorien und Corona-Schwurbeleien abgerückt ist und öffentlich Abbitte geleistet hat. Aber ich wollte dieses Lied von 1999, komponiert von Moses Pelham und gedichtet von Martin de Setlur – denn welches andere Lied transportiert so zart, so wehmütig die Sehnsucht nach Freiheit, die jetzt nach über 20 Jahren fast absurd klingt? wie frei waren wir 1999 ohne Corona Lockdowns, ohne die Finanzkrise, ohne einem Krieg wie dem in der Ukraine aufgezwungenen, der unser gesamtes System durchschüttelt. Niemals hätten wir Kinder der 80er uns solche Einschränkungen vorstellen können. Deshalb – lasst mir den Naidoo, er steht für eine Phase meines Lebens, auch für die Freiheit eines Songs, der von dem Leben eines Künstlers nicht abhängig sein sollte.
Zurück also zur Frage: Wie viel Freiheit braucht der Mensch?
Liebe Schwestern und Brüder:
Freiheit – ist Freiheit und sonst nix. Wer als Christ die Freiheit unter Bedingungen stellt wie: Freiheit Ja, aber, – ja, wenn nur, – wer die Freiheit in Nebensätzen klein redet, der braucht sich nicht wundern, wenn große Philosophen Max Scheler, ein Jean Paul Sartre, ein Nicolai Hartmann sich hinstellen und sagen:
„Um meiner Freiheit willen kann ich nicht wollen, dass es einen Gott gibt.“
Für mich wie viele andere ist heute Freiheit die entscheidende Frage. Als Christ und Theologe Gott und die Freiheit zusammenbringen, zu denken, das ist die immer noch theologische Meisterfrage der Neuzeit. Für mich auch. Denn:
2. Gott und die Freiheit gehören zusammen.
Dieser Gott, der in Christus befreit, ist die Freiheit. Noch einmal: Warum nicht? Gott ist die Freiheit! Warum scheuen wir uns, so etwas frei herauszusagen und kommen mit den Bedenken, dass Freiheit missbraucht werden kann. Und dann reden wir in der Kirche von Liebe und Glaube – kann nicht Liebe und noch viel mehr Glaube ebenso furchtbar missbraucht werden?
Ist nicht die Freiheit der Schutz vor Missbrauch? Weil da einer sich hinstellen kann und kann sagen: Nein – so nicht.
Gegen die Autoritäten, gegen die Tradition stellt sich einer hin und protestiert und beruft sich auf die Freiheit des Gewissens und die Freiheit der Vernunft und die Freiheit der Schrift.
Auf diesen Paulus. Und gehorcht nicht.
Nicht dem Kaiser und nicht dem Papst, der ihn bis heute nicht rehabilitiert hat.
Ja – ich meine Martin Luther.
Ein Christenmensch ist ein freier Herr aller Dinge und niemanden untertan. PUNKT.
Kein Wenn. Kein Aber. Auch wenn dann folgt:
Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.
Der erste Satz zählt und auf ihn kommt es an.
3. Und wenn die Welt voll Teufel wär
und wollt uns gar verschlingen,
so fürchten wir uns nicht so sehr,
es soll uns doch gelingen.
Der Fürst dieser Welt,
wie sau’r er sich stellt,
tut er uns doch nicht;
das macht, er ist gericht’:
Ein Wörtlein kann ihn fällen.
Welches Wort ist das?
FREIHEIT!! Nicht nur Gedankenfreiheit!
Zur Freiheit hat Christus euch befreit.
So lasst euch nicht wieder unter das Joch des Gesetzes zwingen.
Ich bezeuge einem jeden von euch:
Wer jetzt die Moral auspackt und die Sitte,
wer jetzt die Tradition anführt und die Zwänge,
der fällt aus der Gnade Christi
und muss wieder das ganze Gesetz erfüllen. ALLES.
Ach ich möchte das Lied Freisein mit diesen wunderbaren Strophen weiterdichten:
Glaubst Du, dass Dein Leben bereits geschrieben steht,
und dass irgendwo ein Weiser für Dein Tun die Konsequenzen trägt – glaubst Du das?
Glaubst Du, dass von allen Leben auf der Welt eins wertvoller ist als Deins? Glaubst Du das? Glaubst Du das?
Wenn Du das glaubst, dann wirst Du nie sehen
und verstehen, was ich mein, wenn ich sag’:
Ich will frei sein.
Heute – 2022 – erkennen wir: Es ist gar nicht so einfach, in der Freiheit zu leben.
Da ergeht es einem leicht wie einem Zootier, das zufällig freikommt: meistens kehrt es nach kurzer Zeit freiwillig zurück in den Käfig. Zu gefährlich ist es in der freien Wildbahn…
Die Unfreiheit des Imperialismus
Wie frei ich war, wie frei wir aufgewachsen sind, das habe ich immer geschmeckt und gefühlt, wenn ich in der DDR auf Tage hinweg in unserer Partnergemeinde in Neubrandenburg gelebt habe. Ich habe das hier schon erzählt.
Heute sage ich: Schaut auf die Ukrainer. Wie sie um ihre Freiheit kämpfen. Ihr Leben geben. Obwohl sie im Gegensatz zu uns die Freiheit nur ein bisschen geschmeckt haben. Trotz aller Korruption und Armut in ihrem Land. Sie wollen nicht zurück in die Rolle der Sklaven, nicht in der Unterdrückung der Sowjetunion, niemals wieder Nazis, auch nicht als billige Arbeitssklaven der Europäischen Union.
Es ist eine Schande, dass diese Freiheit, die Grundrecht der Menschen oft gegen ein Christentum erkämpft werden musste, dass vom ungerechten System profitierte und ausgehalten wird. In diesem Fall innerhalb der orthodoxen Kirche:
Ich rede vom obersten russischen Bischof, dem Metropoliten Kyrill. Dem Putin eine Kathedrale der Armee für hunderte von Millionen Euros geschenkt hat und ihn längst in der Tasche hat. Die russisch-orthodoxe Kirche wird nicht manipuliert. Diese Kirche ist vielmehr längst “Teil eines kriminellen Regimes”.
Ich will frei sein – ein freier Christenmensch! Oft geht es dann gegen verknöcherte religiöse Institutionen, aber auch gegen geschickte Manipulationen, die unser Gewissen versklaven!
Let Freedon rain? – da ist der Ruf von Martin Luther King von seiner berühmte Rede in Washington hineingemischt. Ich habe den Ruf nicht so ganz verstanden, bis ich ihn nachgelesen habe. Let Freedon rain? Let Freedom reign?
“Let freedom ring!” ruft martin Luther King. Lasst die Freiheit regieren. Nie wieder Sklaven! Kein Rassismus, der Menschen als Untermenschen ausbeuten lässt.
Jetzt kommt der Kern unseres Glaubens.
Was glaubst du? Wie ist das mit Gott und der Freiheit?
Christus hat uns zur Freiheit befreit:
Radikal!
Wer ist Jesus für mich?
Ein absolut freier Mensch: so frei wie Gott selbst auf eine so tolle Art und Weise, das ich immer noch staune, wenn ich die Bibel lese: ein so freier Mensch, der so frei ist, völlig er selbst zu sein und so offen mit allen umzugehen. Ein freier Mensch, der tut was er will und nicht was er soll: uns zu zeigen wie Gott ist. Frei und liebevoll. Der mir beibringt: kein Leben ist wertvoller als deins, und keiner hier kann dein Leben leben. Aber auch kein anderes Leben ist weniger wertvoll als meins!
Glaubst Du, dass irgendwer, irgendwo, irgendwann
für Dich Dein Leben leben kann ? Glaubst Du das ? Glaubst Du das ?
Wenn Du das glaubst, dann wirst Du nie sehen
und verstehen, was ich mein, wenn ich sag’:
Freiheit ohne Einschränkung. Frei sein zu dem was ich entdecke, das ich bin, wozu ich wohl geschaffen bin.
Da verstand ich und glaubte.
Freiheit ist die Grundlage allen Lebens. Dazu hat Gott uns geschaffen. Dazu hat er sun bestimmt. Er möchte keine Roboter, keine Marionetten. Sondern menschen aus Flaisch und Blut. Gut und böse, aber frei zu leiben und zu glauben.
Dazu kam Jesus, das freieste und gleichzeitig liebevollste Wesen auf der Erde und im Himmel, der Sohn Gottes.
Jesus zeigt es uns: gegenüber der Ehebrecherin, dem Zöllner, den sogenannten Sündern, den Frau und Kindern, ja sogar den Heiden – zur Freiheit hat Christus uns befreit. Und aus diesem wahnsinnigen Bewusstsein der Freiheit wächst die Liebe und dann der Glaube. Aus der Freiheit wächst der Glaube als Antwort auf dieses wunderbare Geschenk Gottes. Wie Paulus sagt: Der Glaube, der in der Liebe tätig ist.
Und die Bindungen, Ehe, Kinder, Beruf die bilden neue Schwingen der Freiheit, die den Wind spüren und die anderen die Sehnsucht nach Freiheit lehrt.
Da ist der Schmerz des Liebenden, der in Freiheit den anderen ziehen lassen muss.
Das ist der wehe Stolz der Eltern auf ihre Kinder, die selbstbewusst und frei ihren Weg gehen. Auch wenn dieser Weg ganz anders aussieht als ihrer.
So ist Gott. Seine Liebe schafft den freien Menschen und hört nicht auf zu lieben.
Alles andere ist wieder „Gesetz“ oder gesetzlich, wie wir nach Luther sagen.
Nein – Ich möchte nicht von einer wahren und einer falschen Freiheit geredet haben.
Ja ich glaube: der Glaube, der in der Liebe tätig wird bildet die Grundlage zum fliegen im Glauben. Für den Freien ist der Himmel frei und der Wind, die Wolken, und die Erde mit ihrer Fruchtbarkeit.
Für den Unfreien ist der Himmel verschlossen mit einer Stahlplatte und die Elemente gegen ihn.
Wer die Freiheit kennt, weiß, was ich meine.
Wer die Freiheit geschmeckt hat, weiß, was ich glaube.
Denn Freiheit ist Freiheit und sonst nix.
(Wort des lebendigen Gottes nach Luther am Reformationstag.)
Ich kann nicht anders. So helfe mir Gott. AMEN.