Ewigkeitssonntag 23.11.2020, Predigt Jan-Peter Hanstein im Livestream. “Das Himmlische Jerusalem”

Offb 21 Predigttext

1 Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. 2 Und ich sah die heilige Stadt,das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann. 3 Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; 4und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. 5 Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Und er spricht: Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss! 6Und er sprach zu mir: Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende.

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Liebe Gemeinde,

die Bibel war mein erstes Buch, sie wird auch mein letztes sein. Keines kann das Feuer anfachen wie

dieses, ich lese auch meine Geschichte, weil die Bibel die Sehnsucht niemals sterben lässt. In ihr sind auch Dunkelheit und Wut eingeschrieben, das Trauern ist nicht verboten, der Tod wütet, Schmerz sticht und Tränen fließen. All das geschieht wie kaum zuvor gerade im letzten Buch der Bibel, in der Offenbarung des Johannes. Von Plagen und Vernichtung wird erzählt. Der Schrecken wird zerlegt viele Einzelbilder und Visionen und niemand vermag sie zu zählen.

Die Sehnsucht aber bleibt, es ist das ewige, heilige, das himmlische Buch.

Heute für den letzten Sonntag im Kirchenjahr ist das letzte Kapitel der Bibel vorgesehen. Und es beginnt so:

Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen.

Offb 21,1

Johannes sieht. Er sieht es kommen. Diese Welt wird vergehen. Nicht nur unsere Erde, nicht nur der Kosmos, sondern sogar das uns Unzugängliche, der absolute Herrschaftsbereich Gottes -, das was wir „Himmel“ nennen, wird vergehen.

Unvorstellbar. Aber Johannes sieht es. Sieht es kommen. Sie ist noch nicht da. Die neue Welt. Aber ihre Vorstellung, ihr Plan ist schon da. Inspiriert schon immer Künstler und Architekten.

Eines der beeindruckendsten ist das Altarbild der Augustinerkirche in Würzburg von Jacques Gassmann: Das himmlische Jerusalem.

2 Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann.

„Im Vordergrund, die zwei roten Figuren, das sind der Seher Johannes und der Engel. Sie stehen gemeinsam auf einem Berg. Die beiden Betrachter schauen hinab auf das Himmlische Jerusalem, eine Stadt aus leuchtendem Gold, genauso wie in der Offenbarung des Johannes beschrieben“, erklärt der Historiker das Bild des zeitgenössischen Künstlers Jacques Gassmann. „An den vier Bildrändern befinden sich jeweils drei farbige Halbkreise. Sie deuten die zwölf Stadttore an, beziehungsweise die zwölf Edelsteine, das Fundament der himmlischen Stadt.“ (Bernet)

In mir ruft dieses Bild Erstaunen und Entsetzen hervor:  ich sehe noch soviel mehr… Die Tore, die Edelsteine am Rand, sehen aus wie die Farben unserer Planenten, am Himmel sind nicht nur dunkel Wolken, sondern Rauch und mächtige Bewegungen im All.  Neuer Himmel und neue Erde! Ich wünschte mir dieses Bild als Glasmalerei mit ihrem Blauen und Schwarzen Hintergrund.

Wie gesagt: auch Entsetzen löst in mir diese Version der goldenen Stadt aus. Das neue Jerusalem. Ich stelle mir die Frage, und auch dem Johannes. Was ist mit der alten Stadt passiert? Ist das die neue oder noch die alte? Mit ihren Menschen darin.

Johannes und der Engel, der ihm alles zeigt, haben den Logenplatz. Sie sind herausgenommen, noch in der alten Welt sieht Johannes das neue. Rot sind sie, heiß wie die Liebe aber auch der Zorn.

Bei der Betrachtung formen sich in mir apokalyptische Bilder. Eine Stadt, die glüht, schmilzt. Lodert. Feuersturm. Darüber der Rauch. Die alte Stadt vergeht.

Würzburg, April 1945

Das hatten wir schon mal. Dresden, Nürnberg und eben dort: Würzburg. Ich sehe die Ruinen der Altstadt nach dem Angriff der Allierten in den letzten Kriegswochen und meine die Straßenzüge und Kirchen zu erkennen.

Als neues Jerusalem wurde Würzburg einst gebaut mit seinen dutzenden von Kirchen und dem Dom. Das neue Jerusalem – Dahin. Eingeschmolzen. Drei Tage brannte die Stadt wie eine Fackel. Ausgeglüht.

Ich erinnere mich. Bei einer Dekanats-Konferenz in Würzburg brauchte ich in der Mittagspause Ruhe und frische Luft und bin in den nahegegangenen Park gegangen. Ich fand zu meiner Überraschung das Mahnmal der Opfer dieses Bombenangriffes. Das Massengrab. 5000 Opfer in dieser Nacht des 16. März 1945. Selbst in den Luftschutzkellern kamen die Menschen wegen der Hitze ums leben.

Und dort musste ich mir die Tränen aus den Augen wischen. Über die Sinnlosigkeit. Die Grausamkeit. Diesen ewigen Kreislauf von Rache und Verbrechen. Was wir Menschen uns antun. Und was dann Hunger und Krankheiten vollenden. Damals und heute.

Ja – Unwirklich mitten in dieser so lebendigen jungen und schön aufgebauten Studentenstadt. Mir wird klar – nein, das ist sie noch nicht. Unsere ist noch nicht die neue Welt. Auferstanden aus Ruinen, ja. Aber nur eine neues Land wie unser wiederaufgebautes Deutschland ist nicht genug.

Letzter Sonntag des Kirchenjahrs. Wir gedenken der Ewigkeit. Der Toten.

Wir sind mittendrin in einer Plage biblischen Ausmaßes. Wie eine der Wehen und Katastrophen aus der Johannis-Apokalypse. Wir sind besorgt um kranke Nachbarn, um arbeitslose Mitmenschen, um die Seelen der Menschen, die vereinsamen oder sich verhärten.

Diese Welt vergeht. Aber das allein ist für mich noch kein Trost. Auch das Bild von Gassmann, so beeindruckend es ist, es bleibt doch beängstigend. Warum es Sinn macht, das alles durchzustehen und zu erleiden, ist das, was dann kommt.

Apokalypse. „Dann geht der Vorhang erst richtig auf.“ Das hat Karl Barth zu einem Studenten gesagt, der solche Angst vor dem Tod hatte. Offenbarung. Die neue Welt, golden, noch ungeformt wie im Fluss, diese glühende reine goldene Stadt ist aber nicht die Offenbarung. Die Sehnsucht aber bleibt, es ist das ewige, heilige, das himmlische Buch. In ihm steht:

Der Tod wird nicht überleben. Nicht die Zerstörung. Sondern der, der all das macht. Der den Vorhang aufzieht und der auf dem Thron sitzt, sagt:

Sieh doch: Ich mache alles neu!« Gott wird jede Träne abwischen von deinen Augen. Es wird keinen Tod und keine Trauer mehr geben, kein Klagegeschrei und keinen Schmerz. Denn was früher war, ist vergangen.

Der ewige, der königliche Erzähler von Anfang an sagte diese Worte zu Johannes, dem Propheten. Der sammelte sie, brachte sie zu Papier und erzählte sie immer weiter, weil der Ewige auf dem Thron ihn bat:

Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss. (Offb 21,5)

Das also ist der Schluss der Bibel, die kein Ende nimmt, weil sie sich mit dem Tod nicht arrangieren kann. Die Bibel hört nicht auf. Das Feuer brennt. Ich darf weinen und brauche mich dessen nicht zu schämen. Denn alle Tränen werden abgewischt. Christus der Gekreuzigte, das Lamm Gottes ist nun Richter. Und er wischt ab die Tränen der Wut über Ungerechtigkeit Leid. Er lässt das Schluchzen der Trauer versiegen. Der alles neu macht ist sein Vater…

Ich liege und träume und sehe, ich muss nicht fort, das Buch bleibt offen – und die Geschichte, die schon immer in mir Form annimmt, wird wahr.

Denn Gott, lächelte und sprach:

Sieh doch: Ich, ICH bin es, ich mache alles neu!«

Worte des ewigen Lebens!

AMEN